Es ist schon merkwürdig, aber die größten Gefühlsdusler und Weicheier finden sich im Country. Harte Schale, weicher Kern – für kein anderes Genre passt dieser Slogan besser.
Keith Whitley hat das in seiner leider nur sehr kurzen Karriere so hervorragend wie tragisch bestätigt. Seit frühester Jugend alkoholabhängig, soff er sich 1989 in den Tod. Zu einem Zeitpunkt, als er eigentlich wunschlos glücklich hätte sein können: er hatte seine Nummer-eins-Hits, einen CMA-Award, ganz Nashville lag ihm zu Füßen und dazu war er mit Lorry Morgan verheiratet, mit der er ein kleines Kind hatte. So perfekt sein Leben nach außen hin war – so zerrüttet musste es innerlich für den unheilbaren Alkoholiker sein. Welch großartige Stimme die Musikwelt mit ihm verlor, verdeutlicht sein musikalisches Vermächtnis von nur drei Studio-Alben. Zur Höchstform lief der tragische Held – fast schon logisch – stets bei Balladen auf. Man glaubt ihm einfach jedes Wort, jede emotionale Nuance, jede traurige Note. Wenn er sich dann noch an einen so großartigen Song wie das von Keith Stegall (siehe Songpearl „Hard Luck Cafe“) und Charlie Craig geschriebene „Between An Old Memory And Me“ macht, ist das Ergebnis so begeisternd wie berührend. Man hört einen Großen singen. Aber auch eine zutiefst unglückliche Seele. Trotz Geld, Ruhm und Familie. Dafür dass man sich in Zukunft seiner erinnern wird, sorgten überdies zwei kalifornische Astronomen: Sie benannten – ihm zu Ehren – einen von ihnen entdeckten Asteroiden mit „(4779) Whitley“. Wie passend, war er doch selbst eine hell leuchtende Sternschnuppe.