Ein Klavier. Geigen. Getragene Stimmung. Ein schlanker Schlacks steht im Video in schwarzen Jeans, schwarzem Rollkragenpulli und etwas zu großem Stetson in einer Kirche, in der durch bunte Glasfenster dramatisch das Sonnenlicht fällt …

…. und Tim McGraw, dieser Schlacks, als dunklen Engel erscheinen lässt. Pathetisch? Dick aufgetragen? Und ob! Wer sich von dieser Kulisse nicht abschrecken lässt, wird mit einem der schönsten Selbstfindungs-Balladen der Country-Musik belohnt. Nun ja, Country. Es ist moderner Country aus den späten 90er-Jahren und damit vielleicht mehr Rock oder Pop als traditionelles Gewerbe. Doch lassen wir Schubläden mal Schubläden sein und freuen uns einfach über diesen herrlichen Track, den Songwriter Marcus Hummon großartig entworfen hat. Es geht darin um einen geläuterten Heißsporn. Um einen Typ der offenbar reichlich Ärger gemacht hat und durch jugendliche Unbesonnenheit immer wieder Menschen verletzt hat ­­– und der jetzt erkennt, dass die Ursache dafür bei ihm selbst liegt: „One of these days I’m gonna love me“ heißt die letzte erkenntnisreiche Zeile, bei der man schon mal schlucken darf. Vor allem, da der Komponist für diese Charakterbildung in drei Strophen grandiose Melodien und Harmonien gefunden hat. Hummon hat diesen Song übrigens selbst auch auf einem frühen Solo-Alben aufgenommen. Nur: Ihm, diesem netten, harmlosen Kerl, kauft man die Story nicht so recht ab – im Gegensatz zu Tim McGraw, der, wie es heißt, einst kein Kind von Traurigkeit gewesen sein soll.